Guten Morgen, Neumünster! Ich werde dich vor allem für dieses großartige Frühstück im Alten Stahlwerk in Erinnerung halten. So eine Auswahl habe ich nur in sehr, sehr wenigen Hotels erlebt. Liebe Leser, falls ihr keine Idee habt, warum ihr nach Neumünster fahren solltet: dieses Frühstück ist ein Grund, hierher zu kommen! Das finden auch allerlei Polizisten an den Nachbartischen. Sie sind aber vermutlich nicht wegen des Frühstücks hier, sondern wohl eher wegen des gestrigen Stadtfests.
Nach dem Frühstück heißt es: packen, abreisen, in die Pedale treten, um pünktlich am Treffpunkt zu sein: heute kommt mich meine Familie besuchen! Vereinbarter Treffpunkt ist da, wo sich meine Strecke und die Autobahn 23 kreuzen: südlich von Heide in Albersdorf. Gemeinsam soll es dann für zwei Nächte nach Sankt Peter-Ording gehen. Heute ist das Ziel das Ziel: die Strecke bis dahin vergeht wie im Flug, nur unterbrochen von drei Foto-Zwischenlandungen. Fürs Protokoll: Schleswig-Holstein-Symbol (Windrad) irgendwo zwischen Todenbüttel und Maisborstel (auch, weil ich die Ortsnamen so knorke finde), ich über dem Nord-Ostsee-Kanal (respektable Brückenhöhe!), Theodor-Storm-Haus auf der Theodor-Storm-Straße in Hanerau-Hademarschen (das ich vorher nur aus dem Verkehrsfunk kannte). Ziemlich zeitgleich kommen wir (Radler und Auto) dann bald auf einem Parkplatz in Autobahnnähe an. Wir freuen uns alle riesig, uns wiederzusehen. Und ich freue mich, die restlichen Kilometer bis zum Yogahotel „Das Kubatzki“ mal vorne links in einem Auto zurückzulegen. Das Rad muss ich dazu etwas auseinandernehmen, damit es hinten zwischen die Sitze passt. Dabei stelle ich mich unglaublich blöd an und zerlege aus Versehen die komplette Steckachse. Mit einem Mal kullern kleine Kugellager-Kügelchen über den Parkplatz. „Ist wurscht jetzt!“ sage ich mir, packe den ganzen Kram in eine Tüte und beschließe, das später zu versuchen. Heute brauche ich das Bike ja eh nicht mehr.
Wir nehmen bis „SPO“ (so die Abkürzung der St. Peter-Ording-Fans und -Dauergäste) die schöne Route hinterm Deich entlang übers Eider-Sperrwerk, das die Landschaft um die Eider-Mündung vor Sturmfluten schützen soll. Auf dem Weg: Deiche, Wiesen, Weiden, Schafe, Kühe, Deiche, Kühe, Deiche, reetgedeckte Häuser. Weite.
Von Hamburg aus ist man relativ schnell in SPO, und so sind wir früher immer mal hier hoch in den Norden „geschossen“. Ich erinnere mich an ein sehr gepflegtes Picknicken mit meinem Freund Stephan: in Hamburg wurden französische Käse, italienische Wurst, etwas Obst & Gemüse, Baguette, ein adäquater Wein und ein ordentliches Tischtuch eingepackt und kurze Zeit später hinterm Deich in St. Peter wieder ausgepackt – und mit Blick auf den je nach Stand der Gezeiten sehr breiten bis sehr, sehr, sehr breiten Sandstrand mit viel Freude verzehrt. Einziges Problem hier: bei Ebbe gibt es im Prinzip nur Strand und keine Nordsee. Immerhin kann (und darf) man hier mit dem Auto bis an den Strand fahren, um das festzustellen. Das gibt’s sonst nirgendwo an der deutschen Küste.
Im Kubatzki anzukommen fühlt sich immer an wie zuhause bei Freunden. Das sagen im Moment sehr viele Hotels über ihr “Konzept”, bei nur wenigen trifft es wirklich zu. Hier mit Sicherheit. Dörte und Marco, beide ursprünglich Banker aus Frankfurt, haben irgendwann beschlossen, ihren Traum vom eigenen Hotel zu leben. Dass es ein Yoga-Hotel wird: Ehrensache – schließlich war Dörte schon eine ganze Weile Yogalehrerin. Dass hier nicht nur Yoga-Fans glücklich werden, verdanken wir wiederum Marco, der quasi den Gegenpol verkörpert. Seine Augen leuchten, wenn es um Watt-Touren, Fatbikes und Land Rover geht. Zusammen haben sie hier einen dieser besonderen Orte geschaffen, wie man sie immer sucht und viel zu selten findet. Vielleicht auch oder gerade weil sie viele Dinge nicht so gemacht haben, wie manch langjähriger Hotelier sie gemacht hätte. Manches muss einfach mal neu gedacht werden. Noch besser wird es, wenn viel Leidenschaft dabei ist, und davon haben beide im Überfluss. Die Idee des Hauses ist schnell erklärt: Ankommen, runterkommen, Yoga praktizieren oder auch nicht (dann stattdessen nichts tun, an die Nordsee spazieren, Fatbike fahren). Wunderbar ist hier auch die Küche: ayurvedisch, vegan, tierisch – ganz wie man will, aber immer tierisch lecker, gesund und mit viel Liebe gekocht.
Die schönsten Kubatzki-Momente waren für mich immer die Hängematten-Momente im Garten unter den herrlichen alten Kiefern, deren Wipfel erahnen lassen, wie der Wind an der nahen Nordsee weht. Diesmal kommt aber ein besonders schöner Moment in mein Leben: meine erste Yoga-Stunde. Dörte steckt uns kurzerhand in eine Beginner-Session („der Radfahrer muss doch gedehnt werden!“), und dafür bin ich ihr noch heute dankbar. Wer weiß, ob ich Yoga sonst jemals ausprobiert hätte. Seit dieser Stunde weiß ich, dass der herabschauende Hund kein depressives Haustier ist und es wohl keine bessere Vereinigung von Entspannung und Training gibt als beim Yoga. Ich habe Dörte noch gar nicht erzählt, dass ich mich nach meiner Tour zuhause gleich für einen Anfängerkurs angemeldet habe!
Den nächsten Tag schwänze ich und schnappe mir mitsamt meiner Familie die Fatbikes von Marco. Damit über den Sandstrand zu heizen macht echt unglaublich viel Spaß. Ich dachte immer, die Dinger mit ihren superdicken Reifen fahren sich irgendwie umständlich, sie sind aber tatsächlich total bequem, weil die Reifen sehr gut federn. Und das breite Profil lässt einen über den Sand fahren, als wäre es fester Untergrund.
Nach einem sehr schönen gemeinsamen Tag genießen wir den Abend erst mit “Try & Share” zum Dinner im Kubatzki und dann nochmal im Garten vor dem Hotel, bevor es morgen für uns wieder heißt, Abschied zu nehmen. Freude und Melancholie sind in absoluter Balance.