Heute habe ich auf dem Weg in die Fahrradhauptstadt Münster knackige 106 Kilometer vor mir. Ich hoffe auf halbwegs ebenerdige Strecke, stelle beim Frühstück aber fest, dass ich heute insgesamt stattliche 750 Meter bergauf muss. Es geht den ersten Teil der Strecke tatsächlich quasi dauerhaft bergauf, bis am Hengeberg der Höhepunkt erreicht ist. Ich überfahre in dem Moment den Hauptkamm des Teutoburger Waldes mit spürbaren 316 Metern Höhe.
Ab jetzt geht es bergab, der Schwung bringt mich unmittelbar in einen Burgerladen in Halle/Westfalen (auch anders vorgestellt, viel kleiner als gedacht) in direkter Nachbarschaft zu Bielefeld, von dem es ja heißt, es existiere überhaupt nicht, auch wenn die Stadt jetzt einen hochdotierten Gegenbeweis ausschreibt. Irgendwie ist der Burgerladen total in unter den Einheimischen, ich weiß nur nicht so genau, warum. Wahrscheinlich sind Burgerläden hier noch nicht so überstrapaziert. Einige Zeit, nachdem ich Bielefeld hinter mir gelassen habe, ruft mich meine Mutter aufgeregt an. Laut der „Bed for good“-Website wäre ich ja schon den ganzen Nachmittag in Bielefeld und würde mich nicht mehr bewegen. Ob mir denn etwas zugestoßen sei? Offensichtlich ist genau beim Burgerladen mein GPS-Sender ausgegangen und hat mich quasi in Bielefeld „verschluckt“. Eigentlich sollte er ja länger halten, da er aber in meinem Fall jede Minute eine Position sendet, braucht er wohl doch mehr Strom als gedacht. Das Blöde ist: ich habe kein Ladekabel für das Ding dabei. Ich lasse es mir schicken, wieder 3 Hotels weiter. So werde ich bis Bergisch-Gladbach offiziell unentdeckt radeln, was auch mal schön ist, denn so erspare ich mir die Anrufe meiner lieben Kollegen: „Hallo, was machst du denn bei McDonalds? Ich denke, du wolltest dich gesund ernähren?“. Meine Mutter hingegen kann ich beruhigen – ich existiere weiterhin und genieße die Strecke in Richtung Münster. Das Münsterland mit seinen schönen Höfen, herrlich grünen Weiden und ebenerdigen Radwegen zeigt sich bei bestem Wetter, die Etappe ist ein Traum.
Ebenso besorgt über mein scheinbares Verharren in Bielefeld ist Michael Bührke, Journalist beim Stadtmagazin „Alles Münster“, mit dem ich in Münster verabredet bin. Ich kann aber auch ihn beruhigen, wir verabreden uns bei Nieselregen am Ortseingang von Münster. Er geleitet mich auf dem Rad in die Innenstadt und bringt mich bis zu meinem Tagesziel, dem Boardinghouse Münster. Hier reden wir noch eine Weile, ich erzähle ihm von meiner Tour, den Etappen hinter mir und denen, die noch vor mir liegen (hier geht’s zu seinem Artikel). Münster war in der Tourplanung die schwierigste Etappe, ausgerechnet hier in der Fahrradhochburg ließ sich lange kein Hotel überzeugen, unsere Aktion zu unterstützen. Schön, dass wir mit dem Boardinghouse doch noch jemanden gefunden haben. Münster ist für Radfahrer ungefähr so turbulent wie Neapel für Autofahrer. Heute betrifft mich das aber nicht mehr, ich finde nach einem Spaziergang durch die Innenstadt noch einen netten Italiener, der mit hervorragende Spaghetti ai Frutti di Mare kocht. Das Rad schläft schon, ich tue es ihm nach meiner Rückkehr gleich.