Ich verabschiede mich nach einem tollen Frühstück mit dem Versprechen, hierher ins Hotel zur Marienburg wiederzukommen (ein Jahr später: check!) und radele in Richtung Trier. Ich beschließe, die 91 ebenerdigen Moselkilometer in 62 bergige Eifelkilometer zu tauschen. So bekomme ich noch einen Eindruck vom bergigen Umland der Mosel. Das heißt natürlich erstmal: die herrliche Schussfahrt von gestern wieder hochstrampeln. Immerhin werde ich nochmal von diesem atemberaubenden Ausblick über die Weinhänge hinab ins Moseltal belohnt. Auch die anerkennenden Blicke zweier Rinder auf einer saftig-grünen Weide am Straßenrand motivieren mich, weiterhin alles zu geben!
Im Örtchen Bengel sehe ich ein in einen Vorgarten eingewachsenen Chevrolet Van mit Kastenaufbau. Ein solches Modell haben eine Kollegin und ihr Freund anlässlich eines Nordeuropa-Roadtrips gekauft. Man sagte ihnen, so ein Auto gäbe es in Deutschland nur einmal. „Verzählt !!!“, würde der Gartenbesitzer hier entgegnen. Den hier in Bengel hat man beim Durchzählen entweder übersehen oder als nicht fahrbereite Gartendekoration aussortiert.
Auf meinem heutigen Weg begegne ich mal wieder ständig dem Jakobsweg. Das Zeichen ist mir mittlerweile wie ein Stern, der mir den Weg weist. Irgendwie fühle ich mich intuitiv auf dem richtigen Kurs, wenn ich diese stilisierte Muschel sehe. Und ich habe das Gefühl, ich bin mit meiner Tour nicht allein – die Pilger pilgern hier ja auch durch die Gegend. Mein Weg wird kurz darauf jäh unterbrochen: ich stehe mitten im Grünen vor einer geschlossenen Bahnschranke. Wie ich so sinnierend in der Gegend herumgucke, sehe ich einen Kasten am Straßenrand neben der Schranke. Bei näherem Hinsehen kann ich es kaum glauben: Der Kasten hat einen Hebel dran, darüber ein in die Jahre gekommenes Schild mit der Aufschrift „Schranke wird auf Anruf geöffnet. Bitte Hebel drücken!“ Ich blicke mich um, suche die versteckte Kamera. Nix zu sehen. Ich drücke ungläubig den Hebel, und tatsächlich, kurz darauf öffnet sich die Schranke. Ich höre später, dass es solche Bahnübergänge hier in der Provinz zu Hauf gibt. Ich kannte das noch nicht und freue mich über dieses obskure Ding.
Im Wallfahrtsort Klausen komme ich an einem Dorfladen vorbei, den ich natürlich nicht links liegen lasse. Nicht nur, weil es hier Kuchen gibt, sondern auch, weil mich das Konzept interessiert. Hier ist in einem Laden alles Mögliche untergebracht: Café samt Frühstück, Mittagstisch, Lebensmittel, Haushaltsartikel, Bäckerei, Fleisch von einer nahegelegenen Metzgerei, Wild aus der Umgebung, Wein von heimischen Winzern, Honig von Bienen um die Ecke. Und natürlich ein Paketshop. Der Laden ist ein wunderbarer Begegnungsort und Dorfmittelpunkt – und ein Beispiel, wie Einzelhandel auch in der Provinz noch funktionieren kann. Ich wähle hier natürlich auch hier Kaffee und Kuchen, man hat ja Prinzipien!
Ohne weitere Vorkommnisse, dafür aber mit viel Grün links und rechts des Wegs, komme ich in Trier an. Mein Hotel für die Nacht: das Fourside Hotel. Hier wurde einem Hotel aus den 70ern neues Leben und ein schickes Interieur eingehaucht. In der Lobby gibt’s ein schönes kleines Restaurant samt Bar und Terrasse. Die muss aber warten, denn ich muss heute erstmal einen Weg erledigen, wie man so schön sagt: mein allererstes Mal in einem Waschsalon steht heute an! In der Innenstadt von Trier finde ich einen, belade die Maschine und setze mich bis zum Schleudergang auf einen Burrito ins benachbarte „Pacha Mama“. Nach einem anschließenden Trockengang gondele ich satt und mit duftender Wäsche zurück in Richtung Hotel. Endlich wieder saubere Klamotten! Auf dem Rückweg kann ich mich der Abendstimmung an der Mosel nicht entziehen und bleibe noch auf ein Getränk inmitten einheimischer Studenten im Sommermodus. Wenn ich morgen noch einen Friseur finde, der mir spontan die Matte vom Kopf schert, bin ich glücklich. Das sind nämlich genau die beiden Dinge, die bei einer längeren Radtour irgendwann anstehen: Wäsche und Haare. Gut, dass ich nicht ein Jahr unterwegs bin – dann müsste ich mir auch noch einen Zahnarzt suchen.