Heute steht endlich mal wieder Menschenkontakt auf dem Plan – in Mainz werde ich Henning, den textenden Großspender, zum Mittagessen treffen. Mein Reiseplan für heute: durch Rheinhessen über Mainz nach Frankfurt am Main. Stattliche 105 Kilometer liegen vor mir. Das Höhenprofil sieht aus wie mein Pulsschlag bei Anblick eines Tortenladens: weitgehend gemäßigt mit ein paar starken Ausschlägen. Ich hoffe hier auf die Energie des Heimwehs – so langsam ist es mir ganz recht, dass meine Tour sich dem Ende neigt.
Bei bestem Sommerwetter fahre ich im BollAnts ab und radele noch ein bisschen an der Nahe entlang. Es geht durch Orte, die ich bisher eher von Wein-Etiketten kannte. Rüdesheim ist so ein Ort. Bad Kreuznach hingegen habe ich bisher noch nicht wissentlich entkorkt, finde ich aber wirklich schön. Eine Stadt mit über 800 Jahren Geschichte. Die Brückenhäuser, Klein Venedig und das Flair in der Stadt erinnern mich stark an Bamberg. Muss ich mir unbedingt genauer angucken – ein anderes Mal. Notiz an mich selbst: nächstes Mal aber dann wirklich kürzere Touren planen, um einfach mehr Zeit für die schönen Dinge am Wegesrand zu haben!
Jetzt geht es durch die Weinlagen von Rheinhessen in Richtung Mainz. Ich komme mir irgendwie vor wie mitten in der Toskana. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass dies wohl einigen so geht und man sich deshalb entschlossen hat, der Gegend hier den Beinamen „Toskana Deutschlands“ zu geben. Verdient, wie ich finde. Allerdings sollten sich die Rheinhessen-Bewohner mal mit den Uckermark-Bewohnern kurzschließen. Die denken nämlich, die Toskana Deutschlands läge nördlich von Berlin. Vielleicht kann man sich da mal auf sinnvolle Bezeichnungen einigen, sonst sehe ich schon wieder fehlgeleitete Touristen in der Tagespresse. Jetzt mal im Ernst: dies hier ist eine weitere Gegend, die ich zwar schon immer vom Namen her kannte, die ich aber komplett unterschätzt und überhaupt nicht auf dem Radar hatte. Leute, fahrt nach Rheinhessen! Es gibt hier mittlerweile auch sehr interessante junge Winzer und Winzerinnen, die fabelhafte Weine zaubern, z.B. Julia Eller mit ihren Juwel-Weinen: auf meiner Tour lese ich nur von ihr, besucht habe ich ihr Weingut erst ein Jahr später.
Je näher ich Mainz komme, desto schlechter wird das Wetter. Als ich am vereinbarten Treffpunkt, dem „Bootshaus“ am Winterhafen in Mainz, ankomme, steht Henning schon schräg am Kai und kämpft gegen den Sturm. Die Mittagspause kommt mir gerade recht. Wir haben uns lange nicht gesehen und quatschen eine ganze Weile. Henning, der als Werbetexter und Konzepter arbeitet und eigentlich aus dem Norden stammt, hat viele Jahre in Dresden gelebt und war sogar einige Zeit Untermieter in unserem Büro. Das waren sehr lustige Zeiten, denn Henning lieferte neben immer guten Texten auch beständig schlechte Witze und Reime, was die Stimmung im Büro stets auf bestem Niveau hielt. Irgendwann zog er nach Mainz, wir arbeiten aber noch immer gern zusammen, leider aber mit weniger kostenlosen Witzen.
Nach dem Essen nehme ich die Südbrücke über den Rhein nach Hessen: Mainz auf der einen Seite des Flusses liegt noch in Rheinland-Pfalz, in Flussmitte beginnt Hessen. Überhaupt war dieser Aufenthalt hier nochmal gut, um die Geografiekenntnisse zu schärfen: Mainz liegt ja überhaupt nicht am Main, sondern am Rhein (in den der Main aber in Höhe Mainz mündet, okay). Ca. 40 Kilometer geht es jetzt am Main entlang, und ich habe Fahrradfrust! Die Kombination aus grauem Himmel, stürmischem Wetter, langsam schmerzendem Knie und zumindest stellenweise Industriegebiet (Rüsselsheim!) statt Toskana verhageln mir die Laune. Mit mäßiger Begeisterung kämpfe ich mich die zähen Restkilometer mit Restakku nach Frankfurt.
An meinem Tagesziel, dem 25hours The Goldman auf der Hanauer Landstraße, ist – oh Schreck! – meine Reservierung erstmal nicht gleich zu finden, und das Haus ist heute mal wieder ausgebucht, wie ich höre. Zum Glück löst sich das Problem nach einem Telefonat schnell auf, ich bekomme heute doch noch ein Zimmer. Danke! Im 25hours The Goldman haben alle Zimmer einen Namen, ein eigenes Motto, und jede Etage hat ihre eigene Farbe. Zu meiner großen Freude heißt mein blaues Zimmer „Im Rausch der Tiefe“ und damit genauso wie ein Film mit Jean Reno, den ich in früheren Jahren wirklich geliebt habe! Jedes 25hours ist anders, immer individuell, immer mit eigener Story, und so ist auch mein heutiges Zimmer herrlich verspielt mit allerlei Dingen dekoriert. Sogar eine Nixe wird mir heute das Einschlafen versüßen!