Mit dem Frühstück im Haus Grillensee erkläre ich meine Tour offiziell für beendet. Spenden sind mehr als genug eingefahren. Der heutige Tag der Rückfahrt gehört mir ganz allein. Fahrrad gefahren bin ich die letzten Wochen genug, deshalb wähle ich heute den Zug für meine letzte Etappe in Richtung Dresden. Am Fenster fliegen sächsische Dörfer in der Sommersonne vorbei, in meinen Gedanken vergehen über 30 Tage “Bed for good”-Tour nochmal im Zeitraffer. In Dresden wird vor dem Büro ganz offiziell der Zieleinlauf sein, meine Familie wird da sein, meine Kollegen ebenso. Voller Sehnsucht freue ich mich auf mein Zuhause, voller Wehmut denke ich gleichzeitig an die Tour zurück.
In Döbeln, ca. 30 Kilometer vor Dresden, steige ich aus dem Zug, um die restliche Strecke nochmal mit viel Genuss nach Hause zu radeln. Es geht durch kleine sächsische Dörfer mit alten Höfen, über Feldwege oder kaum befahrene Landstraßen durch die Mittagssonne jetzt hauptsächlich bergab in Richtung Elbtal, das ich in Zehren erreiche. Direkt gegenüber auf der anderen Elbseite liegen die Weinhänge des Weinbaugebiets Diera-Zehren. Der Duft sommerlicher Felder begleitet mich. In Meißen wechsle ich auf die andere Elbseite und fahre die letzten Kilometer auf der Strecke, die ich auch an Tag 1 meiner Tour gefahren bin. Hier hat alles angefangen, hier endet es.
In Radebeul lege ich im Garten des direkt an der Elbe gelegenen Restaurants „Dampfschiff“ noch eine Pause ein. Auf Facebook lese ich, dass meine Kollegen aufgrund meiner nahen GPS-Position in Kürze mit meiner Rückkehr rechnen. „Ihr müsst noch warten“ denke ich und will jetzt, kurz vorm Ziel, nicht, dass es zu Ende geht. Ich dehne die Zeit im Biergarten aus, breche dann aber doch auf und fahre: nach Hause.
Beim Einbiegen ins Wallgäßchen höre ich schon Rasseln und Trillerpfeifen. Ein Band ist gespannt, das ich beim Durchfahren des Torbogens am Eingang unseres Büro-Innenhofs standesgemäß mit Schwung zerteile. Konfetti, Luftschlangen, das volle Programm! Ich umarme voller Rührung meine Frau und meine Kinder, und natürlich alle Kollegen. Es tut gut, wieder zuhause zu sein!
Nach der Tour – ein kleines Fazit
Am Ende waren es 13 Bundesländer, 31 Hotels, 32 Tagesetappen, bis zu 125 Kilometer am Tag, knapp 3.000 Kilometer insgesamt, aufgerundete 6.666,66 Euro Spendengelder – und unzählige, unbezahlbare Eindrücke, an die ich mich noch lange erinnern werde. Dieser Monat war wohl einer der schönsten Monate meines Lebens, auch wenn ich unterwegs manchmal zu kämpfen hatte.
Erste Erkenntnis: Deutschland ist wunderschön. Auf meiner Tour habe ich so unterschiedliche, faszinierende Landschaften gesehen – jede einzelne ist eine Reise wert. Ich habe eine Hotelperle nach der anderen kennenlernen dürfen, mit engagierten, liebevollen Gastgebern. Von Designhotel über Baumhaus, Hostel, Romantikhotel bis zum Gästezimmer auf dem Land. Ich habe interessante Menschen mit großer Gastfreundschaft kennenlernen dürfen, Freunde getroffen, einen alten Freund nach langer Zeit wiedergetroffen, und ich habe viele unserer Kunden besucht – mit dem Fahrrad!
Was macht eine solche Tour mit dem Körper eines 44-jährigen Menschen, der ansonsten die meiste Zeit im Büro sitzt? Auf den ersten Blick Enttäuschung nach dem Wiegen: sogar ein Kilo zugenommen! Ich hatte es schon geahnt, dass Kuchen am Vormittag und 4-Gänge-Menü am Abend am Ende sprichwörtlich stärker ins Gewicht fallen als das ganze Radeln. Auf den zweiten Blick Beruhigung, als die weiteren Messwerte aufleuchten: ich habe in der Zeit den Muskelanteil erheblich steigern und den Fettanteil wesentlich reduzieren können. Okay, damit kann ich leben!
Wie hat die Technik durchgehalten? Keine Zwischenfälle. Das E-Bike von Haibike hatte – bis auf meinen blöden Fehler bei der Demontage des Vorderrads – keinerlei Probleme. Nicht mal einen platten Reifen. Ich hatte eine Minimal-Werkzeugausstattung und einen Ersatzschlauch dabei, brauchte aber nix davon. Auch mein Laptop-Ersatz, ein iPad mit Tastaturhülle samt mobiler Datenkarte, hat sich wunderbar bewährt, um abends im Hotel die Tour des nächsten Tages zu planen oder die Highlights der letzten Etappe aufzuschreiben. Die Komoot-App für Navigation und Tourenaufzeichnung ist heldenhaft! Dank des Bike-Akkus brauchte ich die separate Reserve-Powerbank nur selten: man kann sein iPhone bequem per Adapterkabel direkt am Bike-Tacho anstöpseln. Die Tour war auch mein ganz persönlicher Erstkontakt mit einem E-Bike. Ich habe mich sehr schnell daran gewöhnt, auch wenn ich den Großteil der Tour nur im Eco-Plus-Modus gefahren bin, damit der Akku durchhält. Erkenntnisse: vertraue nie der morgens beim Start angezeigten Restreichweite, denn sie schmilzt an steilen Anstiegen dahin. Vergiss es, unterwegs nennenswert nachzuladen, es sei denn, du machst eine mehrstündige Siesta. Vergiss deshalb auch nie, abends den Akku ans Ladegerät anzustöpseln. Das Ladegerät des an meinem Bike verbauten Yamaha-Antriebs ist leider fast so groß wie ein Schuhkarton. Das ist unverständlich, und es gibt für andere Antriebe wohl mittlerweile auch deutlich kleinere Reiseladegeräte.
Wie ist es meiner Firma währenddessen ergangen? Fabelhaft. Wenn ich noch einen Beweis gebraucht hätte, dass der Laden auch ohne mich läuft: spätestens nach dieser Tour ist diese Frage beantwortet. Es gab wohl durchaus stressige Momente in der Zeit, die das Team aber für sich behalten und selbst gelöst hat. Ich hatte die Finanzen aus der Ferne im Blick, habe das Thema aber abgehakt, nachdem meine Kollegen den Monatsumsatz drin hatten. Was ich nur bedingt geschafft habe: nicht in meine Mails zu gucken. Die Dosis war aber ok, und im Zweifel habe ich die Nachrichten einfach weitergeleitet. Fazit: loslassen und dem Team vertrauen ist möglich und absolut empfehlenswert!
Würde ich es wieder tun? Unbedingt! Eines habe ich mir aber vorgenommen: ich möchte eine solche Tour nochmal nur für mich machen. Die Spendentour habe ich gern gemacht, aber irgendwie brauchte ich sie auch, um mir selbst diesen Monat Auszeit zu erlauben. Meine Tour war durchgetaktet, damit ich all die tollen Hotels, die uns bei der Aktion so großartig unterstützt haben, auch besuchen konnte. Manchmal wäre ich gern einfach irgendwo noch einen Tag geblieben, hätte mir noch mehr Zeit für einige schöne Orte – oder auch einfach nur für mich – nehmen wollen. Aber: das liegt ja ganz allein an mir.
Letzte Erkenntnis: rufe gleich zurück, wenn dich jemand telefonisch erreichen will. Wenige Tage nach meiner Rückkehr bekam ich die Nachricht, dass Matthias, der Hotelier aus Essen, plötzlich verstorben ist. Er hat mich bestärkt, diese Tour zu machen, er hat mich inspiriert – als Mensch und als Unternehmer, er war der erste Hotelier, der gesagt hat „wir sind dabei“. Ich wollte ihm nach meiner Rückkehr Danke sagen. Leider zu spät. Seine Impulse und Gedanken, seine Inspiration und sein unbändiger Lebensmut bleiben in mir unvergessen.